Individueller Ansatz
Ein Körpermasseindex (engl. Body Mass Index, kurz BMI) von 30 oder mehr gilt als Richtmaß für die Diagnose einer Adipositas. Unabhängig vom BMI gibt es quer durch alle Gewichtsklassen unterschiedliche Erscheinungsbilder.
Je nach Erscheinungsbild variieren die Therapiewahl und die inhaltliche Gestaltung. Der Prozess der Gewichtsabnahme und die daran anschließende Stabilisierung gelingt am besten durch eine systematische, auf Ihre persönliche Situation ausgerichtete Vorgehensweise. Im Bereich Psychotherapie ist die erfolgreiche Inangriffnahme der Gewichtsreduktion oft ein wichtiger Faktor zur (Wieder-)Herstellung der Bereitschaft und Fähigkeit für eine erfolgsversprechende Psychotherapie.
Meine Zielgruppe sind Erwachsene. Ich berate außerdem Jugendliche, die aus eigener Motivation die Ernährungstherapie ausdrücklich wünschen.
Schweregrade
Je nach BMI-Ausmaß werden nach der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Schweregrade definiert:
Adipositas Grad 1 – mäßiges Übergewicht
Gewichtsabnahme verspricht bei Vorliegen von Erkrankungen gesundheitliche Vorteile. Der Halteapparat profitiert in jedem Fall. Ärztlichen Rat einholen.
Adipositas Grad 2 – starkes Übergewicht
Gewichtsabnahme verspricht erhebliche gesundheitliche Vorteile. Ärztlichen Rat einholen.
Adipositas Grad 3 – massives Übergewicht / morbide Adipositas, „Adipositas permagna“
Schwere und gefährliche Gesundheitsstörung. Unbedingt den Arzt zu Rate ziehen! Konservative Methode probieren, bei Versagen chirurgische Verfahren in Erwägung ziehen. Obwohl es auch im Bereich BMI 40 und höher „Gesunde Dicke“ gibt, lohnt eine Gewichtsabnahme, die Dauer und das Ausmaß des Übergewichts sind eine tickende Zeitbombe. Studien zeigen, dass ein langfristiger BMI über 40 die durchschnittliche Lebenserwartung um 10 bis 15 Jahre verkürzt.
Adipositas Grad 4 – extremes Übergewicht, „Superadipositas“
Nicht durch die WHO klassifiziert, gemäß S3-Leitlinie zur Adipositastherapie kann bei einem BMI ab 50 auch ohne Begleiterkrankungen sofort operiert werden, wenn vom Betroffenen gewünscht.
BMI berechnen
So errechnen Sie Ihren BMI:
Obwohl die WHO den BMI unabhängig von Alter und Geschlecht klassifiziert, spielen diese bei der Interpretation des BMI eine Rolle. Männer haben in der Regel mehr Muskeln als Frauen. Deshalb sind die Unter- und Obergrenzen der BMI-Werteklassen bei Männern etwas höher als bei Frauen. So liegt der BMI-Normalwert bei der WHO zwischen 18,5 und 25, während laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung der BMI bei Männern zwischen 20 und 25 und bei Frauen im Intervall von 19 bis 24 kg/m² als gesund gilt. Hinzu kommt, dass in der BMI-Zone 25-29,9 nicht klar ist, ob der BMI auf Grund eines ausgeprägten Skelettmuskel- oder Fettanteils erhöht ist. Ist ersteres der Fall und sind Körperfettmasse und Taillenumfang gleichzeitig in einem gesunden Bereich, ist Abnehmen bei Einhalten eines ansonsten gesunden und körperlich aktiven Lebensstils medizinisch nicht erforderlich.
Ab einem BMI von 30 korreliert der BMI hingegen stark mit krankhaft erhöhter Fetteinlagerung, weshalb ab diesem BMI von Adipositas (Fettsucht) die Rede ist. Auch hier ist aber jeder fünfte Adipöse stoffwechselgesund. Dieses Phänomen beschäftigt aktuell zahlreiche Forschungsprojekte, damit in Zukunft gezieltere Therapieansätze gefunden werden können. Umgekehrt ist es übrigens möglich, dass Personen mit einem gesunden BMI von 18,5-24,9 versteckt adipös sind, also übermäßige Fettmasse mit dem Risiko für Fehlfunktionen einlagern, weil sie wenig oder kaum Sport treiben. Ihr Risiko für Folgeerkrankungen ist entsprechend erhöht, vor allem dann, wenn sie sich zusätzlich unausgewogen ernähren, rauchen oder/und stressanfällig sind.
Der BMI kann auch bei Kindern und Jugendlichen als Maß für die gesunde Entwicklung verwendet werden. Allerdings gelten hier für die Beurteilung des BMI andere Normbereiche. Für Deutschland werden die von der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) veröffentlichten Altersperzentilen des BMI empfohlen.
Adipositas-Typen
Über den BMI hinaus lässt sich Adipositas in verschiedene Typen einteilen:
- Stoffwechselgesunder Typ
- Stoffwechselkranker Typ – potenzielle Hochrisikopatienten mit Folgeerkrankungen
- Adipositas mit Essstörung (BED, Bulimie, Körperbildstörung)
- Adipositas mit Lipo-Lymphödem – „Reiterhosen-Syndrom“
- an sich dünne Adipöse mit betont viszeraler Fettspeicherung (Bauchfett)
- Adipositas mit einer psychischen Begleiterkrankung (z.B. Depression, Bipolare Störung, Suchterkrankung, Trauma)
Je nach Erscheinungsbild variieren die Therapiewahl und die inhaltliche Gestaltung. Der Prozess der Gewichtsabnahme und die daran anschließende Stabilisierung gelingt am besten durch eine systematische, auf Ihre persönliche Situation ausgerichtete Vorgehensweise. Im Bereich psychische Erkrankungen / Psychotherapie ist die erfolgreiche Inangriffnahme der Gewichtsreduktion oft ein wichtiger Faktor zur (Wieder-)Herstellung der Bereitschaft und Fähigkeit für eine erfolgsversprechende Psychotherapie.
Mögliche Folgeerkrankungen
Besteht die Adipositas über viele Jahre, häuft sich Zahl der Betroffenen, die im Laufe ihres Lebens auch an Folgeerkrankungen leiden. Wesentliche Folgeerkrankungen sind:
- Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels (z. B. Insulinresistenz, gestörte Glukosetoleranz, Diabetes mellitus Typ 2)
- Arterielle Hypertonie, linksventrikuläre Hypertrophie
- Kardiovaskuläre Erkrankungen (z. B. Koronare Herzkrankheit (KHK), Schlaganfall, Herzinsuffizienz)
- Vermehrtes Auftreten von Karzinomen (Frauen: z. B. Endometrium, Zervix, Ovarien, Mamma, Niere, Kolon; Männer: z. B. Prostata, Kolon, Gallenblase, Pankreas, Leber,Niere, Ösophagus) Pulmonale Komplikationen (z. B. Dyspnoe, restriktive Ventilationsstörungen, Hypoventilations‐ und Schlafapnoe‐Syndrom)
- Gastrointestinale Erkrankungen (z. B. Cholecystolithiasis, akute und chronische Cholecystitis, Fettleber, Refluxkrankheit)
- Degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates (z. B.Coxarthrose, Gonarthrose)
- Verminderte Lebensqualität
- Erhöhtes Komplikationsrisiko während der Schwangerschaft (z. B. Eklampsie, Gestationsdiabetes)
- Dyslipoproteinämie (niedriges HDL‐Cholesterin, Hypertriglyceridämie)
- Hyperurikämie/Gicht
- Psychosoziale Konsequenzen mit erhöhter Depressivität und Ängstlichkeit, soziale Diskriminierung, Selbstwertminderung, soziale Isolation
Empfohlene ärztliche Kontrollen
Die medizinische Betreuung und die Koordination ggf. notwendig werdender Maßnahmen erfolgen bei Ihrem Hausarzt oder einem Facharzt. Nachfolgende ärztliche Untersuchungen sind bei Adipositas empfehlenswert:
- Körperliche Untersuchung: Ganzkörperstatus
- EKG, Blutdruckmessung – u. a. wichtig für die Planung im Bereich Bewegung
- Aktuelles Labor: Nüchternblutzucker, oraler Glucosetoleranztest (oGtt), HOMA-Index, Harnsäure, Triglyceride, Cholesterin, Kreatinin, Elektrolyte
- fT3, fT4, TSH, zur Abklärung weiterer endokrinologischer Parameter Überweisung zum Endokrinologen
- Eventuell Überweisung zum Pulmologen zum Schlafapnoe‐Screening
- Kontrolle der Gewichtskurve
- Kontrollvisite alle 3 Monate und bei akuten Gesundheitsstörungen
Multimodales Konzept bei morbider Adipositas
Liegt eine Adipositas Grad III oder IV vor (BMI über 40 bzw. 50) sollte die Behandlung interdisziplinär erfolgen (unter Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen aus Medizin, Ernährung, Psychologie, Bewegung). Zunächst ist eine Ernährungstherapie (konservative Adipositastherapie) und eine dem Ausmaß der Adipositas angepasste Bewegungstherapie indiziert, je nach individueller Konsteallation auch eine psychotherapeutische Begleitung. Eine wesentliche Rolle wird dabei der qualifizierten Ernährungstherapie zugesprochen. Die Einleitung einer operativen Maßnahme bedarf einer interdisziplinäre Stellungnahme.
Ein Schaubild zum Multimodalen Konzept (MMK) finden Sie hier.
Angebote im Rahmen des multimodelen Konzepts
Konservative Adipositastherapie
Für Betroffene, die sich gegen eine operative Maßnahme (Bariatrie) entscheiden oder für die eine Operation aus medizinischen Gründen nicht in Frage kommt, biete ich die Möglichkeit, der ernährungstherapeutischen Individualtherapie (konservative Adipositastherapie) an. Die Maßnahme beginnt zunächst mit einem Zeitintervall von 6 Monaten. Bei erfolgreichem Verlauf kommt es nach Antragsstellung zur Verlängerung auf 1 bis 2 Jahre.
Präoperative Ernährungstherapie
Für Patienten, die sich für eine operative Maßnahme entscheiden, biete ich ernährungstherapeutische Einzelberatung.
Die präoperative Ernährungstherapie hat folgende Ziele:
- Sollten Sie im Vorfeld noch keine qualifizierte Ernährungstherapie ausprobiert haben, ist es sinnvoll, dass Sie sich trotz Ihrer Entscheidung pro OP darauf einlassen. So haben Sie für sich die Möglichkeit, herauszufinden, ob Sie auf einen chirurgischen Eingriff verzichten können. Wenn die Ernährungstherapie erfolgreich verläuft, wäre das natürlich die risiko- und nachsorgeärmste sowie lebensqualitäterhaltendste Maßnahme.
- Kommt es im Rahmen der konservativen Ernährungstherapie zu keinem erfolgreichen Gewichtsverlust (Gewichtsreduktion weniger als 10% nach 6-12 Monaten) oder das Körpergewichts steigt erneut oder es liegt ein BMI-Wert > 50 vor und es besteht keine Kontraindikation für eine operative Maßnahme, erfolgt die Planung einer operativen Maßnahme. Während der Ernährungstherapie kann geklärt werden, welche operative Maßnahme im individuellen Fall am meisten Erfolg verspricht. Darüber hinaus kann ich Sie auf die geplante Operationsart gezielt vorbereiten.
- Eine präoperative Ernährungsumstellung mit Gewichtsabnahme und Bewegungssteigerung wird auch empfohlen, wenn die Entscheidung für eine OP bereits gefallen ist. Das hat mehrere Gründe. Zum einen senken Sie damit bereits im Vorfeld das Risiko für Adipositas assoziierte Erkrankungen, Komplikationen während der OP und die Rehabilitationsdauer nach der OP durch optimierte Nährstoffversorgung, Körperzusammensetzung und verbesserte Moblilität. Darüber hinaus zeigt Ihre Bereitschaft zur Verhaltenslenkung vor der Operation ihre Motivation zur Mitarbeit und zu eigenverantwortlichem Handeln im Umgang mit Ihrem Körper. Beides sind Erfolgsparameter für die Zeit nach der OP. Eine erfolgreiche Gewichtsabnahme vor der OP ist mit einer besseren Abnahme nach der OP verknüpft.
Postoperative Ernährungstherapie (Nachsorge)
Die Ernährungstherapie nach erfolgter Operation findet über zwei Jahre statt. In der Regel gelten zwölf Termine als ausreichend, wobei die meisten Termine (8 von 12) im ersten Jahr nach der OP stattfinden.
Folgende Inhalte bietet die postoperative Ernährungstherapie:
- Ernährungberatung angepasst an das jeweils gewählte Operationsverfahren. Zur Sprache kommen z.B. die Substitution von Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen, das richtige Maß für Getränke und Mahlzeiten, unterstützendes Essverhalten, psychologische Aspekte des Essens und Trinkens
- Hilfe bei typischen Komplikationen oder Krisen nach der Operation wie Übelkeit und Erbrechen, Lebensmittelintoleranzen, Durchfall, Verstopfung, Dehydration, Dumping-Syndrom, Proteinmangel, Nährstoffmangel (teilweise mit Haarausfall), Gallensteine, Ursachenklärung bei ausbleibendem Gewichtsverlust, Begleitsymptome wie Frieren, Müdigkeit, Leistungseinbrüche.
Themen im Bereich Gewichtsmanagement
Im Folgenden finden Sie einen Überblick, welche Themen und Methoden in der individuellen Ernährungstherapie eine Rolle spielen können:
- Stärkung der Veränderungsmotivation (Selbstwirksamkeit, positive Konsequenzerwartung, Risikowahrnehmung, Unterstützung bei der Entwicklung von persönlichen Änderungsplänen)
- Aktivierung und Stärkung persönlicher Ressourcen / Barrierenbewältigung (Erarbeitung unterstützender Strategien bei Umsetzungsschwierigkeiten)
- Wissensvermittlung:
– Ursachen der Adipositas,
– Individuelle Fragestellungen zu aktuellen Ernährungstrends
– spezielle Ernährungsthemen wie Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate, Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, Nahrungsenergie, Flüssigkeitsaufnahme /-haushalt
– Einflussfaktoren auf Essverhalten und Gewicht: Bewegungsfaktoren, Störungen im Essverhalten (s. a. Essstörungen), Social Media, Rituale und Überzeugungen, Genetik, Geschlecht, Alter, Wechseljahre, Verdauung, Nikotin, Alkohol, Trinkverhalten u. a.), daraus resultierende Einflussmöglichkeiten auf den Energieverbrauch und tatsächlicher Wirkungsgrad im Hinblick auf die Gewichtsveränderung,
– Erkrankungen, die Essverhalten und Körpergewicht beeinflussen können: Depressionen / psych. Erkrankungen, Schilddrüsenerkrankungen, – hochdosierte Cortisoneinnahme über einen längeren Zeitraum, körperliche Handicaps, Krebs u. a.
– allgemeine Empfehlungen und individueller Ansatz für die Nährstoffzusammensetzung, uvm.
– Aufklärung und Umgang mit gesunder Ernährung / Nahrungsauswahl: eine Pauschal-Diät gibt es nicht, der Klient wird vielmehr dazu angeleitet herauszufinden, was und wie viel seinem Körper langfristig gut tut und schrittweise seine Ernährung in diese Richtung zu lenken –>Ziel: ausgewogene Ernährung - Einschätzung von Portionsgrößen, ausgewogene Mahlzeitengröße und -verteilung
- SOLL-IST-Vergleich bezüglich der Nährstoffversorgung, professionelle Ernährungsanalyse anhand von Ernährungsprotokollen
- Selbstbeobachtung anhand von Tagebüchern oder Prozessmodellen, z.B. symptomatisches Verhalten (Kreislauf Auslöser -Gedanken-Gefühle-Essverhalten-Konsequenzen), Bewegungsverhalten, Leistungsverhalten, Essen als Antwort auf Krankheitssymptome
- Aufstellung eines Orientierungsplans
- Verbesserung der Wahrnehmung von Hunger, Sättigung und Genussfähigkeit
- Abbau von Heißhungeranfällen
- Planung und Umgang mit Risikosituationen wie Außer-Haus-Essen, Essen in Gesellschaft, heimlich Essen / Essen alleine, Feierabend, Einkaufen im Supermarkt
- Verbesserung der Selbstkontrolle beim Essen („flexible Kontrolle“) und Aufbau alternativer Fähigkeiten
- Bearbeitung mit dem Gewicht zusammenhängender bzw. zugrunde liegender Problembereiche (Biografie-Arbeit, aktuelle Situation), ernährungstherapeutisch via Verhaltensmodifikation und lösungsorientiert-systemischer Beratung
- Focusing (nach Absprache)
-> Focusing ist eine körperorientierte Methode nach Gendlin. Im Zentrum steht das achtsame Wahrnehmen des körperlichen Erlebens. Daraus entfalten sich unter bestimmten Bedingungen lösungsorientierte Schritte - je nach Indikation Motivation zur Aufnahme angemessener körperlicher Aktivitäten, gemeinsame Planung eines sinnvollen Trainingsaufbauplans
- Realitätstestung und Rückfallprophylaxe